dead vagina syndrome

Dead Vagina Syndrom- Ein Mythos??

1. Dezember 2020

“Dead Vagina Syndrome“

Es geistert seit einiger Zeit die Idee durchs Internet, es gäbe eine Überreizung der Nerven der Klitoris durch zu viel Vibratorgebrauch: Das so genannte „Dead Vagina Syndrome“. Auch wir begegnen in der Beratungspraxis in unserem Sexshop immer wieder der Frage, ob zu häufiger Gebrauch der vibrierenden Toys die Nerven unempfindlicher werden lässt – dahinter steckt vermutlich die Angst, irgendwann gar nicht mehr stimulierbar zu sein. Doch was ist dran an diesem Mythos?

Auffällig ist zunächst, dass bisher nur in Boulevard-Medien in reißerischen Artikeln drüber berichtet wurde. Es gibt bisher kaum seriöse Quellen dazu. Aus feministischer Perspektive wirkt es wie ein verzweifeltes Aufbäumen des gekränkten Patriarchats. Nach jahrhundertelanger Leugnung, Verteufelung und Stigmatisierung des Lustempfindens von Menschen mit Klitoris wurde in den letzten Jahrzehnten endlich ein neues Bewusstsein und Selbstwertgefühl erkämpft. Mit dem Wissen über Anatomie und der gesellschaftlichen Akzeptanz für klitorale Stimulation wuchs auch der Raum für ein selbstbestimmtes sexuelles Vergnügen. Vibrierende Toys spielen bei dieser Entdeckungsreise ein besondere Rolle. Fokussieren sie sich doch in ihrer Funktion genau auf die Stimulation dieser Nervenenden, die zum größten Teil unterhalb der Haut liegen, und mit Vibration intensiv stimuliert werden können. Der Mythos, dass der Penis als einziges Stimulationsmittel ausreiche, wurde ad acta gelegt, hält sich aber an einigen Stellen hartnäckig. Bezeichnend ist auch, dass es diese Angst vor Überreizung bei Penissen nicht zu geben scheint. Da kann die Klitoris endlich kommen – und schon wird es ihr wieder schlecht gemacht!

Aus medizinischer Sicht können Nerven nicht abstumpfen: Ihre Sensibilität bleibt gleich, lediglich das Empfinden kann sich verändern. Und dieses Empfinden entsteht im Gehirn, dort, wohin die Reize der Nerven geleitet werden. Durch häufige gleichartige Reizung kann ein Gewöhnungseffekt entstehen. Der Körper stuft die Reize dann als nicht mehr so intensiv ein und es fühlt sich weniger intensiv an, obwohl die Reizung die gleiche ist. Das kann mit Vibration, aber auch z.B. mit manueller Massage passieren.

Was kann helfen? Mehr Abwechslung bei der Stimulation! Der Körper kann auf ganz unterschiedliche Weise berührt, gereizt, befriedigt werden. Das sich Zeit nehmen und Entdecken der eigenen Lustfähigkeit kann sehr empowerend sein. Also auch wenn der Alltag hektisch ist, nehmt euch Zeit für euch und eure Lust. Lasst den Vibrator vielleicht mal an einer anderen, sensiblen Stelle vibrieren (z.B. Anus, Nippel oder Oberarminnenseiten), spielt mit Wärme und Kälte, mit Druck und Streicheln, mit langsamem und schnellem Tempo, unterschiedlichen Positionen (auf dem Rücken oder auf dem Bauch liegen, hocken, knien, …). Das lässt eure Nervenverarbeitung im Gehirn auf Hochtoren arbeiten.

Und auch wenn die Werbung es vorgaukelt – Sexualität ist kein Wettbewerb! Multiple Orgasmen sind nicht das Ziel, sondern können ein netter Nebeneffekt sein. Das Ziel sollte eine gute Zeit mit sich und Partner*innen sein. Ob mit oder ohne Höhepunkt. Ob alleine, zu zweit oder zu mehreren.

Und wenn Sexualität gar nichts für eine*n ist, oder nur manchmal, ist das auch völlig in Ordnung.

Was sind eure Erfahrungen und Tipps?